
"Manchmal sage ich meiner Frau, dass man weniger lang eingesperrt wird, wenn man einen Menschen umbringt". Oder: "Bislang hat sie sich nicht darüber beschwert, dass
es ihr nicht gut damit gehe. Sie leidet wohl im Stillen." Die Sätze hat er im Witz gesprochen, gelacht hat er dabei, aber das Thema war ein ernstes. Es ging um arrangierte Ehen.
Wenn einer eine Reise tut, muss nicht der Reiseanlass der Moment des Trips sein. Mit einer Eventagentur ging es nach Birmingham, um das Musical Jesus Christ Superstar zu sehen. Ein Fahrer holte mich am Flughafen ab. Es ist erstaunlich, wie offen er mir gegenüber war: Wir sprachen recht schnell über Familie - und über die Liebe...
Der Fahrer kam vor rund zwei Jahrzehnten aus Indien nach Birmingham, erzählte er, weil sein Vater näher bei seinen Brüdern sein wollte, mit denen er sich aber eigentlich immer nur stritt. Ich musste sofort an meine ehemalige Kollegin Christina denken, die sich ein tolles Projekt ausgedacht hat: Mit einer motorisierten Rikscha und ihrem Freund Nagender will sie Indien durchqueren, auf der Suche nach der Liebe. Anlass für das Multi-Media-Projekt "Culture Curry" war die arrangierte Ehe einer Freundin der beiden - die das im Gegensatz zu Christina aber gar nicht schlimm fand. Ich habe dem Fahrer von dem Projekt erzählt und er war erstaunt.
"Ich sag dir, was sie finden wird", sagte er, "Bollywood. Wir Inder lieben die Liebe, aber nicht in unserem eigenen Haus." Er erzählte, wie kontrovers er es findet,
dass mehr Romanze und Drama als in Bollywood-Filmen kaum möglich sei, Liebe im Privaten aber ein Tabu sei. Er selbst, erzählte er, lebe auch in einer arrangierten Ehe. Er sagte das recht
teilnahmslos, auch er fand es nicht schlimm.
Vor 21 Jahren lernte er die Cousine der Frau seines Cousins kennen - über die Verwandtschaft. Gerade deshalb sei es schwer gewesen, die Hochzeit abzulehnen. Nach ein paar Wochen wurde geheiratet, seine Frau kannte er da kaum. Was die Eltern sagen, mache man eben, meinte er, zumal, wenn sich die Familien untereinander kennen.
Ob er glücklich ist, habe ich ihn gefragt. Er sagte, er sei zufrieden. Liebe könne schließlich wachsen.
Kommentar schreiben